Die Tore der Wahrnehmung: Ein Gefühl für einen Ort schaffen – mit Himanshu Sabharwal von Tricolor

Wenn man Himanshu Sabharwal von Tricolor India nach seinem „Sense of Place“ fragt, nennt er sofort zwei Beispiele aus der Geschichte seines Landes: Das Victoria Memorial in Kolkata, das von den Briten zur Zeit des Raj erbaut wurde, und die Khajuraho-Tempel in Madhya Pradesh, die von den Hindu-Königen Yashovarman und Dhanga vor rund tausend Jahren errichtet wurden.

„Die Pracht der europäischen Architektur unterscheidet sich sehr von den Feinheiten der Tempelarchitektur“, sagt er. „Und weil sie unterschiedliche Gefühle hervorruft, ist auch unser Ansatz ein anderer.“

Der wichtigste Faktor

Himanshu und Tricolor verstehen es meisterhaft, das über Jahrhunderte gewachsene Gefühl für einen Ort gezielt einzufangen und in beeindruckendes Projektionsmapping zu verwandeln, das nicht nur ein Spektakel ist, sondern emotional bewegt.

Das bedeutet, mit der Architektur zu arbeiten, anstatt sie nur als Kulisse zu nutzen. Himanshu formuliert das so: „Das Erste, was man tun muss – besonders wenn man, so wie ich, aus der Welt des Kinos und Fernsehens kommt – ist, sich gedanklich von flachen Bildschirmen und leeren Leinwänden zu lösen. Das Gebäude und die Emotionen, die es weckt, sind die wichtigsten Faktoren.“

Die Khajuraho-Tempel sind zweifellos ein Ort, der bei Besuchern etwas bewegt. Die Tempel, die für ihre Architektur im Nagara-Stil bekannt sind, gehören seit 1986 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Sie erzählen von einer Zeit und einer Gesellschaft, die längst vergangen sind, aber in jeder Sommernacht durch spektakuläre Laserlichtprojektionen wieder zum Leben erweckt werden. Doch Himanshu erklärt, dass ein Spektakel um des Spektakels willen selten funktioniert.

„Man wird nichts wirklich Beeindruckendes schaffen, wenn man die Architektur und ihren „Sense of Place“ nicht berücksichtigt. Das Gebäude hat einen Charakter, der sich dem Prozess des Schaffens anpasst; man muss diese Wahrheit zuerst enthüllen“, sagt er.

Ein Umdenken ist erforderlich

Das Victoria Memorial in Kolkata ist ein ganz anderes Gebäude mit einer ganz anderen Geschichte und einem anderen Zweck. Es wurde von den Briten während der Kolonialzeit zum Gedenken an den Tod von Königin Victoria erbaut und ist unverkennbar ein Gebäude des Imperiums und der Eroberung. Doch im Jahr 2021 verwandelte Tricolor das Gebäude mithilfe von 3DLP-Laserprojektoren der Crimson-Serie von Christie in eine Hommage an den indischen Nationalisten Netaji Subhas Chandra Bose anlässlich des 125. Jahrestages seiner Geburt.

„Das Victoria Memorial war ein wunderbares Projekt, weil das Gebäude die ganze Pracht des viktorianischen Zeitalters in England ausstrahlt. Deshalb mussten wir unsere Herangehensweise ändern – weil man es hier nicht mit einem indischen Gebäude voller Details und Verzierungen zu tun hat“, erklärt Himanshu. „Der entscheidende Faktor bei jeder Projektion ist immer das Gebäude selbst, unabhängig von der Geschichte, die man erzählen möchte.“

Wesentlich wirkungsvoller

Schlussendlich spielt es keine Rolle, ob er mit dem kulturellen „Sense of Place“ arbeitet, wie bei den Khajuraho-Tempeln, oder ihn, wie beim Victoria Memorial, in Frage stellt. Wichtig ist, dass Himanshus gebäudebasierter Ansatz Zuschauern ein tieferes Verständnis für den Ort vermittelt und ihnen zeigt, warum dieser Ort von Bedeutung ist. Dieser Ansatz ist wesentlich wirkungsvoller und bleibt länger im Gedächtnis als das Spektakel allein. Obwohl Himanshu betont, dass beides wichtig ist. „Wenn es nicht mindestens drei unvergessliche Momente gibt, an die sich die Zuschauer am nächsten Morgen noch erinnern und die sie wirklich beeindruckend fanden, dann hat die Show ihr Ziel verfehlt. Denn genau das erwarten sie.  Aber wenn einem das gelingt und man es gleichzeitig schafft, der Geschichte im größeren Kontext treu zu bleiben, hat man einen Volltreffer gelandet.“